Shogun: Ein Traum von einem Traum - Kritik zum Finale der Miniserie (2024)

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Von: Bjarne Bock

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Shogun: Ein Traum von einem Traum - Kritik zum Finale der Miniserie (1)

Wir verbeugen uns voller Respekt vor FX' „Shogun“, der wahrscheinlich besten und auch bewegendsten Miniserie des zwar noch jungen Jahres. Vor allem das Finale, „Ein Traum von einem Traum“, zeigt einmal mehr, was diese Romanadaption so besonders macht.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Gut Ding will manchmal wirklich Weile haben. Der amerikanische Kabelsender FX tüftelt seit mehr als fünf Jahren an Shogun, der Neuinterpretation des gleichnamigen Bestsellerromans von James Clavell aus dem Jahr 1975, welcher 1980 bereits als Miniserie vom Network NBC umgesetzt wurde. Den Produzent:innen - zu denen auch der japanische Superstar Hiroyuki Sanada gehört - war es allem Anschein nach sehr wichtig, diesmal alles richtig zu machen und vor allem authentisch im Angesicht des historischen Hintergrunds zu bleiben.

Die Entwicklung hat schließlich so lang gedauert, dass der erste Chefautor (Ronan Bennett von Top Boy) absprang und durch das Ehepaar Rachel Kondo und Justin Marks („Top Gun 2: Maverick“, Counterpart) abgelöst wurde. Und Sanada musste 2019 sogar einen Alibi-Drehtag hinlegen, einfach nur, damit FX nicht die Rechte an dem Stoff verliert. Aber all diese Umwege haben am Ende zu einem finalen Produkt geführt, bei dem man ohne den geringsten Zweifel von einem Meisterwerk sprechen kann.

Der neue Zehnteiler „Shogun“, der zwischen dem 27. Februar und 23. April 2024 via „FX on Hulu“ (und hierzulande parallel bei Disney+) veröffentlicht wurde, erfüllt auch die höchsten Erwartungen. Die Serie überzeugt mit beeindruckenden Bildern, poetischen Dialogzeilen, unvergesslichen Figuren und Darbietungen sowie einer Erzählung, die so erfrischend gezügelt und klug daherkommt, dass im Vergleich sogar ein Allzeitliebling wie Game of Thrones ein wenig plump aussieht...

Serien sind nur Serien, aber zum Glück „Shogun“

Die Serienmacher Kondo und Marks - beziehungsweise der Buchautor Clavell - holen uns da ab, wo wir es gewöhnt sind und entführen uns auf eine grandiose Reise. Durch den POV-Charakter John Blackthorne (Cosmo Jarvis) lässt man uns auf das feudale Japan um das Jahr 1600 schauen. Dem entwachsen wir recht schnell, weil Sanada als Lord Yoshii Toranaga, Tadanobu Asano als Lord Kashigi Yabushige, Takehiro Hira als Lord Ishido Kazunari und vor allem Anna Sawai als Toda Mariko einfach so viel faszinierendere Figuren sind als der englische Schiffsnavigator.

Zwar scheint auch die Rivalität der europäischen Kolonialmächte Portugal und Großbritannien und der dazugehörige Religionskonflikt zwischen Katholizismus und Protestantismus alles andere als langweilig, „Shogun“ schlägt seine Wurzeln allerdings in der fernöstlichen Kultur, was genau den Reiz der Serie ausmacht. Will man tatsächlich eine Schwachstelle in dem Ganzen ausmachen, ist es wohl sogar der Anjin, der aus unerfindlichen Gründen immer wieder an Relevanz gewinnt. Wobei dann im Finale von Sanadas Figur die schöne Erklärung kommt, dass er den Fremden einfach gern dabehalten hätte, weil er ihn ulkig fand.

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Shogun: Ein Traum von einem Traum - Kritik zum Finale der Miniserie (2)

Andererseits kann man den Barbaren und Häretiker auch als Sidekick der eigentlichen Serienheldin Mariko-sama ansehen. Während sie die schwierige Navigation zwischen den Pflichten familiärer Altlasten und ihres neuen Glaubens meistern muss, rammt er stolz in jeden kulturellen Konflikt rein. Sein Arc endet schließlich mit der selbstlosen Bereitschaft, sich ganz Marikos Mission zu unterstellen, auch ohne sie nachvollziehen zu können. Nach diesem Durchbruch hat man plötzlich das erste Mal Mitgefühl für ihn. Nun sind seine Schmerzen unsere - und uns kommen die Tränen, wenn wir daran denken, was er alles miterlebt hat.

Über Sanadas übermenschliche Bildschirmpräsenz als weiser Schachspieler Toranaga braucht man gar nicht diskutieren. Die Serie wirkt durch ihn und ihr starkes Writing derart überlegen, da sie zwar durchaus mit drastischen Szenen daherkommt, aber niemals zum Selbstzweck eskaliert. Wer „Die Kunst des Krieges“ kennt, weiß nämlich, dass der direkte Kampf stets zu vermeiden ist. Im Krieg geht es um Zahlen und Chancen. Und genau darum geht es auch im inzwischen wohl berühmtesten Zitat der Serie, wonach Marikos Opfer für Toronaga das erreicht hat, was seine Armee niemals geschafft hätte.

Dass der künftige Shogun seinen Sieg so sicher durchkalkuliert dem lächerlich liebenswürdigen Vielfachverräter Yabushige offenbart und wir nur kurze Schnipsel dieses großen Endgames sehen, ist so herrlich passend für „Shogun“, das eben kein „Game of Thrones“ ist. Hier muss nichts auf irgendein Setpiece hinauslaufen, das den Fans versprochen wurde - denn nur der Logik muss Genüge getan werden. Außerdem muss der Held nicht unnötig blind durch Ehrgefühl agieren, damit der Bösewicht überhaupt eine Chance hat (in dem Fall wäre Toronaga der klügere Ned Stark und Ishido ein weniger cartoonhaft böser Joffrey).

Die Miniserie „Shogun“ hallt unglaublich laut nach

„Shogun“ war und bleibt vielleicht die beste Serie des Jahres, die uns deshalb so sehr fehlen wird, weil sie so anders war. Sie hat auf ihre ganz eigene Art uns das gegeben, was wir brauchten. Sie war viel poetischer, als sich andere US-Serien trauen würden; und hat an den Stellen dünner aufgetragen, wo normalerweise die dicken Akzente gesetzt werden. Sie war psychologisch ganz zugänglich zu ihren unvergesslichen Figuren und gleichermaßen gigantisch in ihrer historischen Interessantheit. Eine perfekt durchdachte Adaption einer sowieso schon extrem starken Vorlage.

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Was man am Ende der zehnten und letzten Episode von „Shogun“, A Dream of a Dream, ebenfalls spürt, ist die Symmetrie der runden Abschlüsse. Vor allem in der zweiten Hälfte der Finalfolge reiht sich eben ein emotionaler Pay-off an den nächsten - was man in dieser Dichte normalerweise nur von Serie kennt, die einen jahrelang begleitet haben. Zumal man auch in dieser Hinsicht ohne unnötige Wendungen auskommt, denn das Ganze wird so sauber zu Ende erzählt, wie es angefangen hat.

Wir können nicht anders, als „Shogun“ fünf von fünf Sakes auszugeben!

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